Samstag, 22. April 2023

 

 

Filmvorführung:

Zwei Träume

Eine israelisch-palästinensische Dorfgeschichte

 

Bild auf der Trennmauer in Bethlehem gegenüber dem

Walled Off-Hotel von Banksy

 

Michael Kaminer lebt in einem Kibbuz in Israel, der 1948 auf den Trümmern eines palästinensischen Dorfes errichtet wurde. Er begibt sich auf eine Spurensuche nach dieser – im Kibbuz verschwiegenen – Geschichte, sucht in palästinensischen Flüchtlingscamps nach den Menschen, die einst dort lebten, und konfrontiert seine Gemeinschaft mit den Fakten der Vergangenheit.

Seine Recherchen verarbeitet er in einem Film, den er in Kibbuzim, aber auch in der Westbank zeigt. Denn er ist überzeugt:

Eine Versöhnung zwischen Israelis und Palästinenser:innen wird nur möglich sein, wenn beide Seiten dazu bereit sind, sich mit dem Leid und auch den Träumen der jeweils anderen Seite auseinanderzusetzen.

 


Der Film Zwei Träume schildert die Entstehung von Kaminers Film, zeigt seine Begegnungen mit den vertriebenen palästinensischen Bewohner:innen seines Kibbuz und die Wohnverhältnisse in den Flüchtlingslagern. Und er dokumentiert Diskussionen mit Israelis und Palästinenser:innen, denen er den Film zeigt.

Ein Film des Hilfswerks der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (HEKS)

Entstehungsjahr: 2022  -  Dauer: 54 Minuten

Im Anschluss Gelegenheit zur Diskussion

 

Datum:  Samstag, 22. April 2023

Ort:         Begegnungszentrum MargaretaS, Heinrich-Fetten-Platz 3, Brühl

Zeit:       19.00 Uhr

Der Eintritt ist frei.

Im Flüchtlingslager Duheisha 

                                                                                                                                                                                                                                             bei Bethlehem 

Einige Bilder aus dem Film

Die Trennmauer

 

In einigen Kibbuzim gibt es ein Geschichtsmuseum.

Oft sind diese - wie auch hier - in erhalten gebliebenen Häusern aus den palästiniensischen Dörfern eingerichtet, die zuvor dort standen. Einen Hinweis auf diese Dörfer findet man aber auch in den Geschichtsmuseen nicht.

 

Viele palästinensische Dörfer wurden 1948 zerstört.

Die Steine wurden zum Bau von Kibbuzim verwendet.

 

 

Straßenszene aus dem Flüchtlingscamp Qalandiya.

 

Hier sind die meisten Überlebenden aus dem pal. Dorf Sar'a gestrandet, auf dessen Ruinen Tsor'a, der Heimatkibbuz des Filmemachers, errichtet worden ist. Ihre Nachkommen leben noch heute dort - in prekären Verhältnissen und mit geringen Zukunftschancen.


 

7., 14. und 21. Juni 2023:

 

Filmreihe im ZOOM-Kino Brühl

 

Uhlstraße 3, 50321 Brühl

 

ttps://www.zoomkino.de/ 

 

Wiedergabe der Texte und Abbildung der Filmplakate

mit freundlicher Genehmigung des ZOOM-Kinos Brühl

 

 

 Mittwoch, 7. Juni 2023, 20.15 Uhr

 

Der Fall Sara und Saleem

Palästina/NL/Deutschland/Mexiko 2018

Regie: Muayad Alayan

Länge: 127 Minuten

 

Die Geschichte einer Affäre zwischen zwei verheirateten Menschen wäre unter normalen Umständen Stoff für ein emotionales Drama. Wenn sie in der geteilten Stadt Jerusalem zwischen einer Israelin und einem Palästinenser stattfindet, wird aus der Affäre schnell weit mehr. Und davon erzählt Muayad Alayan in seinem Film „Der Fall Sarah & Saleem“, der ein extremes Konstrukt verwendet, um von einer extremen Situation zu erzählen.

 

 

 


Mehr zum Inhalt:

Das Café der Israelin Sarah aus West-Jerusalem wird beliefert von Saleem, einem Palästinenser aus Ost-Jerusalem. Obwohl sie Welten trennen und beide verheiratet sind, beginnen sie eine Affäre und riskieren damit alles, was ihnen wichtig ist. Als eines ihrer riskanten nächtlichen Treffen schief geht und sie aufzufliegen drohen, versuchen sie mit aller Macht zu retten, was von ihrem bisherigen Leben übrig ist. Doch sie müssen hilflos zusehen, wie ihre hektischen Bemühungen die Dinge weiter eskalieren lassen. Unter dem Druck der Besatzungsmaschinerie und des soziopolitischen Umfelds sind sie in einem Netz aus Lügen gefangen und nicht einmal die Wahrheit scheint ihnen noch helfen zu können.

 

Ein Seitensprung, wie er überall in der Welt passieren könnte, bekommt in der geteilten Stadt Jerusalem eine gefährliche politische Dimension. Als Sarah und Saleem zur falschen Zeit am falschen Ort entdeckt werden, steht weit mehr auf dem Spiel als nur ihre Ehen.

 

Filmkritik: „Eindringliches Drama von subtiler Spannung.“ Cinema

 Mittwoch, 14. Juni 2023, 20.15 Uhr

 

Wajib

Palästina 2017

Regie: Annemarie Jacir

Länge: 96 Minuten

 

Architekt Shadi ist nicht gerade begeistert, dass er nach Jahren in Rom wieder in seine Heimatstadt Nazareth zurückkehren muss – die palästinensische Tradition jedoch zwingt ihn dazu. Seine Schwester Amal wird heiraten und Shadi muss mit seinem Vater die Einladungen persönlich übergeben. Abu Shadi, ein geschiedener Lehrer Mitte sechzig, wird nach der Hochzeit allein leben. Gemeinsam fahren die beiden Männer durch die Straßen Nazareths und stellen fest: Ihre grundverschiedenen Lebensweisen sorgen für größere Spannungen als gedacht.


Wajib bedeutet soziale Verpflichtung. Derer gibt es im Film viele, mitsamt den daraus entstehenden Lügen und Verstrickungen.

 

Filmkritik:

Ein subversiver Humor, der leicht zeitverzögert zündet. Umso größer ist das Vergnügen an dem wunderbaren Film, weil man stutzt und lacht und hinterher gar nicht weiß: worüber habe ich eigentlich gelacht. (rbb-Kultur)

Mit einem feinen Gespür für die heiklen Nuancen zeichnet Annemarie Jacir eine liebevolle, nicht unproblematische Vater-Sohn-Beziehung. Ein vielschichtiges Generationenporträt voller Wärme, Witz und Wehmut über die Situation arabischer Israelis. (Süddeutsche Zeitung)

 Mittwoch, 21. Juni 2023, 20.15 Uhr

 

Der Affront

Libanon/Belgien/Frankreich/Zypern 2017

Regie: Ziad Doueiri

Länge: 112 Minuten

 

OSCAR-Nominierter Thriller aus dem Libanon


An einem heißen Sommernachmittag in Beirut gerät Toni mit Yasser in eine heftige Auseinandersetzung über ein illegal montiertes Abflussrohr an Tonis Balkon. Toni ist Mechaniker, Christ und gebürtiger Libanese. Yasser ist Vorarbeiter am Bau und palästinensischer Flüchtling. Im Eifer des Gefechts lässt Yasser sich zu einer Beschimpfung hinreißen, die alles verändert.

Eine spannendende Parabel über Ursache und Wirkung oder über die Auswüchse männlicher Egos – der Film zeigt die Traumata eines Landes und seiner Bewohner, die aus der Vergangenheit heraus bis in die Gegenwart wirken.

Filmkritik:

„Fesselnd“ (Hollywood Reporte)
„Berauschend“ (New York Times)
„Nicht nur eine Parabel über Verdrängung und ihre Folgen, sondern auch ein starkes Plädoyer für Toleranz und Versöhnung.“ (ARD ttt)

 Freitag, 31. Mai 2024, 19 Uhr

 

In der Einführung zu dem Abend stellte der Arbeitskreis den Film in einen größeren Zusammenhang.

 

Am Anfang wurde die Frage aufgeworfen, ob es nicht „Öl ins Feuer zu gießen“ bedeute, wenn man während eines Krieges im Gazastreifen einen Film zeigt, in dem es um einen gigantischen Bücherraub durch den Staat Israel im Jahre 1948 geht. Unsere Begründung für die Filmvorführung auch und gerade in der gegenwärtigen Situation ist folgende:

  • Wenn man über den aktuellen Krieg spricht,
  • wenn man es wagt, auf die ausufernde Gewalt des israelischen Militärs hinzuweisen, die nichts mehr mit „Selbstverteidigung“ zu tun hat,
  • wenn man es wagt, das entsetzliche Leid Tausender Zivilisten zu beklagen,

bekommt man unweigerlich zu hören: „Die Hamas hat mit ihrem Überfall am 7. Oktober 2023 doch angefangen.“

  • Und wenn man es dann wagt, zu sagen, dass dieser abscheuliche Überfall nicht im luftleeren Raum stattgefunden, sondern eine Vorgeschichte hat,

bekommt man unweigerlich zu hören, man relativiere die Attacke der Hamas und verharmlose, was den Israelis angetan worden ist; und das sei letztlich antisemitisch. Das musste Antonio Guterres schon wenige Wochen nach dem Überfall erfahren, als er in der UNO sagte, dieser sei nicht aus heiterem Himmel gekommen, es gebe vielmehr einen historischen Kontext.

 

Unserer Überzeugung nach ist es unbestreitbar, dass es einen historischen Kontext gibt, und uns ist es wichtig, diesen bewusstzumachen. Das bedeutet weder Relativierung noch Verharmlosung noch gar Entschuldigung; für Gewalt gegen Zivilisten kann es keinerlei Entschuldigung geben, und das gilt für beide Seiten. Aber es ist ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit, größere Zusammenhänge aufzuzeigen, um das Geschehen zu begreifen.

 

Von den Ereignissen, die zu der gegenwärtigen Situation beigetragen haben, wurde zunächst vor allem folgendes genannt:

 

Die völlige Abriegelung des Gazastreifens seit 2007 hat dazu geführt, dass die Einfuhr auch lebenswichtiger Güter seitdem durch das israelische Militär streng reguliert und oft willkürlich beschränkt worden ist. Seither herrschen dort Mangel, Not, Elend.

 

Die Situation hat die UNO schon 2015 zu der Warnung veranlasst, der Gazastreifen könne bereits 2020 unbewohnbar sein.

 

Aber auch die Ereignisse rund um die Gründung des Staates Israel sind in Erinnerung zu rufen:

  • 29. November 1947: Teilungsplan der UNO, der sehr unausgewogen war: Er sah ca. 56% des Landes für ca. 650.000 Zionisten vor, ca. 43% für etwa 1,3 Millionen Palästinenser; d.h.: 56% für etwa ein Drittel, 43% für etwa zwei Drittel der Gesamtbevölkerung.
  • Beschluss dieses Teilungsplans durch 33 UNO-Staaten, die allesamt keinerlei Besitzrecht in Palästina hatten. Sie verteilten Land, das ihnen nicht gehörte. Die Palästinenser wurden dagegen überhaupt nicht gefragt.
  • Vertreibung von ca. 750.000 Palästinensern nach „Plan D“ („Plan Dalet“) von April 1948 an, also bereits in dem Monat vor der Staatsgründung.

Das ist der historische Kontext des Films "The Great Book Robbery", der die Plünderung palästinensischer Privatbibliotheken im Rahmen des sog. Unabhängigkeitskriegs (auch "Erster israelisch-arabischer Krieg") nach der Staatsgründung am 14. Mai 1948 dokumentiert. Die Bücher werden bis heute in der "Jüdischen National- und Universitätsbibliothek" in Jerusalem aufbewahrt und sind dort unter dem Kürzel "AP" katalogisiert - als "Abandoned Property", also "aufgegebenes, zurückgelassenes Eigentum". Das entspricht dem Umgang mit dem Eigentum aller im Zusammenhang mit dem genannten Krieg geflohenen oder vertriebenen Palästinenser: Die Menschen wurden zu "Abwesenden" erklärt und ein neu erlassenes Gesetz bestimmte, dass das Eigentum "Abwesender" - Häuser, Ländereien, Bankguthaben - an den jüdischen Staat fiel - entschädigungslos. Und eine Regelung vom Anfang des 20. Jhs. bestimmte, dass etwas, das einem Juden gehörte, niemals an Nichtjuden verkauft werden durfte. Das heißt: Selbst wenn die Geflohenen und Vertriebenen nach Beendigung des Krieges (der Waffenstillstand wurde im Januar 1949 geschlossen) zurückkehrten, konnten sie ihr Eigentum nicht zurückbekommen; sie konnten es nicht einmal zurückkaufen.

Einige der an dem Bücherraub Beteiligten wurden für den Film ebenso interviewt wie Betroffene, die ihre Bibliothek verloren hatten. Der Historiker Ilan Pappe ordnet das Geschehen in den historischen Kontext ein. Junge israelische Aktivisten versuchen die Bücher für ihre ursprünglichen Eigentümer bzw. deren Nachkommen zugänglich zu machen.

 

Zuletzt ergab sich eine lebhafte Diskussion, die wiederum den Bogen spannte von den im Film gezeigten historischen Ereignissen bis in die Gegenwart.